Die Tödliche Doris

07.02.2020 –
30.06.2020

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Eröffnung | 7. Februar | 20 Uhr
Wolfgang Müller ist anwesend.

Zur Ausstellung erscheint als Band 9 der Schriften der Tödlichen Doris Das Werkverzeichnis.
Es ist für 12,– + Porto unter versand@k-strich.de zu bestellen.

Die Kamera irrt um einen Block, unseren Blick nimmt sie mit, wir sind 1987 irgendwo in New York City. Als die Kamera an einer Straßenecke eine junge Frau in einem gelben Kleid entdeckt, kommt sie zum Stehen und verliert sich in seiner gelben Textur. Der Film heißt Eine Frau zur selben Zeit an einem anderen Ort. Der Titel ist verwirrend, denn welches sollte dieser andere Ort schon sein und um wessen Ort handelt es sich?

Tatsächlich ist es eine Anspielung auf die unsichtbare LP Nr. 5 der Tödlichen Doris, die nur durch Gleichzeitigkeit des Abspielens der Alben sechs und Unser Debut entsteht. Der Track „Eine Frau zur selben Zeit an einem anderen Ort“ vom Album sechs korrespondiert musikalisch, textlich und sekundengleich mit dem Track „Noch 14 Vorstellungen“ von dem Album Unser Debut. Der Super-8-Film ist während eines Aufenthaltes der Tödlichen Doris in New York entstanden. Das Museum of Modern Art hatte die Gruppe eingeladen. Der Auftritt stand in der Reihe der Abschieds- und Wiederholungskonzerte „Noch 14 Vorstellungen“, die die Tödliche Doris bereits seit 1984 inszenierte. Teil der Kostümierung für diese Auftritte waren die von Tabea Blumenschein entworfenen roten und gelben Fertigkleider vom Kleidermarkt am Maybachufer, in denen Nikolaus Utermöhlen, Wolfgang Müller, Käthe Kruse und Tabea Blumenschein auftraten. Die Männer stopften diese in ihre Hosen, so dass sie wie Hemden aussahen.

Einem dieser Kleider begegnen wir in dem in New York gedrehten Super-8-Film. Es verbleibt später bei der mysteriösen jungen Tänzerin, während die anderen drei Kleider ab 1991 als Sesselgruppe Kleid in verschiedenen Ausstellungen wieder auftauchen. 1991 hat sich die Tödliche Doris längst schon in Weißwein aufgelöst. Auf den Sesseln sitzen drei leere Kleider, noch nicht vollkommen schlaff und leer, aber auch nicht mehr ganz lebendig. Andere Kleidungsstücke der „14 Vorstellungen“, Unterhemden und Unterhosen, endeten als Lampenschirme. Sie erinnern an Reste getöteter Tiere, Häute und Felle, die zum Bespannen von Möbeln verwertet werden. Gleichzeitig aber findet sich hier eben auch der vorübergehende und vergängliche Charakter der Doris – in praktischer Gestalt, als banale Sitzgelegenheit, als Sessel oder Lampe – die von drei oder vier Körpern Besitz ergreift, sie wieder abstreift und austauscht und möglicherweise so aufgezogen als Kleid über einem Stuhl in Wartestellung schon auf eine ganz neue Gestalt lauert.

Fotodokumentation: Francisco Valença Vaz

Presselinks

Mira Nass in der taz: Es gibt kein echtes Leder im Falschen

Rolf Stein in der Syker Kreiszeitung: Spiel mit Erwartungen

Felicitas Boeselager & Benjamin Moldenhauer im Deutschlandfunk: Performance und Subversion – Was macht die Tödliche Doris in Bremen?