Michaela Melián

10.04.2024 –
01.06.2024

Ulrichsschuppen

Das Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager in den ehemaligen Ulrichsschuppen am Bremer Getreide- und Fabrikenhafen ist eines von mehreren Hundert Lagern, die während des Krieges in Bremen eingerichtet wurden, um ausländische Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter aus den von Deutschland besetzten Ländern zu internieren. Ihre exakte Zahl ist daher kaum zu ermitteln. Schätzungen gehen von bis zu 75.000 Menschen aus, darunter auch Kriegsgefangene und KZ Flüchtlinge, die in Bremer Betrieben Zwangsarbeit leisten mussten.

Ab 1942 bis 1944 wurden auch die damaligen Ulrichsschuppen 9 und 10 als Internierungslager für französische Kriegsgefangene genutzt. Sie waren zuvor auf der Admiral Brommy untergebracht, einem ehemaligen amerikanischen Frachter im Getreide- und Fabrikhafen. Das Schiff, das seit 1928 als Ausbildungsschiff des Norddeutschen Lloyds gedient hatte, war 1940 zum Lager für die Gefangenen umgebaut worden. Aufgrund unhaltbarer Zustände, gegen die das Rote Kreuz mehrfach intervenierte, wurden die Insas- sen nun in die Schuppen verlegt. Später kamen auch sowjetische Zwangsarbeiter hinzu. Die Liste weist für den Ort 983 Gefangene aus. Beide Schuppen gehörten zu einem Ensemble von 21 Schuppen, die in den Jahren 1912/13 und dann in den 20er Jahren im Bereich Revaler Straße, Memeler Straße und am Fabrikufer erbaut und von der damaligen Spedition P. H. Ulrichs betrieben wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Internierungslager in Vergessenheit und wurde wieder als Schuppen genutzt. Im Jahr 1989 wurden dort nach Hinweisen eines ehemaligen sowjetischen Zwangsarbeiters Wandmalereien französischer Kriegsgefangener entdeckt, die vermutlich 1942/43 entstanden sind. Verschiedene Malstile weisen auf die Beteiligung mehrere Gefangene hin. Die 13 Wandgemälde wurden geborgen und sind nun in verschiedenen Einrichtungen, darunter dem Bremer Staatsarchiv, dem Landesamt für Denkmalschutz und dem Hafenmuseum im Speicher XI, ausgestellt.

2018 erwarb die Hafenbetriebsgesellschaft J. Müller AG, Brake, die Schuppen, deren Abriss im Februar 2019 erfolgte. Heute sind dort Container gelagert. Mit den Ulrichsschuppen verschwand einer der letzten Orte, der an Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs in Bremen erinnert. Im Zuge des Abrisses stellte die Firma das Eckgrundstück Memeler/Revaler Straße an originaler Stelle für einen Erinnerungsort zur Verfügung.

Auf dieser Fläche entstand das Kunstwerk der Rolandpreisträgerin 2018 Michaela Melián. Die Künstlerin hat die Fassade des Schuppens auf dem Grundstück wiederhergestellt, allerdings nicht vertikal, sondern horizontal gekippt. Die Fassade markiert den verschwundenen Ort und erinnert gleichzeitig an die vielen Kriegsgefangenen und Verschleppten aus ganz Europa, die in den bremischen Häfen Zwangsarbeit leisten mussten. Um den Gedenkort herum ragen die Containertürme in den Himmel und bilden zur flach auf dem Boden liegenden Fassade einen sinnfälligen Kontrast.

Michaela Melián zeigt in der Galerie K' eine Serie von Nähmaschinenzeichnungen, die sich auf die ehemaligen Zwangsarbeiterschuppen bezieht. Die Künstlerin rekonstruiert hier in leichten, klaren Fadenlinien die Umrisse der inzwischen abgerissenen Bauten. Melián bediente sich dieser Technik bereits in früheren Arbeiten. So etwa in Triangel (2003), in der sie eine Fahrt durch die Lüneburger Heide mit ihren Feldern, Straßen und Gebäuden, darunter auch die Gedenkstätte Bergen-Belsen zeigt.

Zur Ausstellung erscheint eine Edition

Filmlink Beatrix Schwehm: Gedenkort Lager Ulrichsschuppen

Medienlinks:
Benjamin Moldenhauer im Deutschlandfunk: Wie klingt deutsche Vergangenheit?
Thorsten Jantschek im Deutschlandfunk: Gedenken an den Holocaust. Wie Michaela Melián Gedenkorte schafft
Mira Anneli Nass in der jungle world: Die Stadt als Träger 
Lotta Drügemöller in der taz: Einer von über 200 Orten
Benno Schirrmeister im Gespräch mit Michaela Melián in der taz: "Erinnern kann man nicht einfordern".
Rolf Stein in der Kreiszeitung: Gedenkort soll an Internierung und Zwangsarbeit erinnern
Marianne Straub bei buten un binnen: Bremen hat jetzt einen neuen Gedenkort - und zwar im Hafen in Walle
Anne Gerlin im Weser-Kurier: Mahnmal beim Holzhafen soll an Zwangsarbeit erinnern