Michaela Melián

Michaela Melián (* 1956, München) ist Künstlerin und Musikerin. Sie ist Mitgründerin der Band F.S.K. und war bis 2023 Professorin für zeitbezogene Medien an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) in Hamburg. Typisch für Meliáns Arbeiten ist die Verbindung von Kunstobjekten mit Klang. Gleichzeitig spielt die Auseinandersetzung mit Geschichte und Nachleben des Nationalsozialismus in ihrem Werk eine zentrale Rolle. In ihrem Hörspiel Föhrenwald (2005) setzte sie sich mit dem dort ansässigen Konzentrationslager auseinander, in Memoryloops (2008) schaffte sie einen virtuellen und soundbasierten Gedenkort für die Opfer des Nationalsozialismus in München. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Hörspielpreis der Kriegsblinden (2005), dem Grimme-Online-Award-Spezial (2012), dem Edwin-Scharff-Preis (2018) und dem Rolandpreis für Kunst im öffentlichen Raum (2018).

Arbeiten

Ulrichsschuppen
Studio
Life as a Woman
Leopard II

Ulrichsschuppen

Das Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager in den ehemaligen Ulrichsschuppen am Bremer Getreide- und Fabrikenhafen ist eines von mehreren Hundert Lagern, die während des Krieges in Bremen eingerichtet wurden, um ausländische Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter aus den von Deutschland besetzten Ländern zu internieren. Ihre exakte Zahl ist daher kaum zu ermitteln. Schätzungen gehen von bis zu 75.000 Menschen aus, darunter auch Kriegsgefangene und KZ Flüchtlinge, die in Bremer Betrieben Zwangsarbeit leisten mussten.

Ab 1942 bis 1944 wurden auch die damaligen Ulrichsschuppen 9 und 10 als Internierungslager für französische Kriegsgefangene genutzt. Sie waren zuvor auf der Admiral Brommy untergebracht, einem ehemaligen amerikanischen Frachter im Getreide- und Fabrikhafen. Das Schiff, das seit 1928 als Ausbildungsschiff des Norddeutschen Lloyds gedient hatte, war 1940 zum Lager für die Gefangenen umgebaut worden. Aufgrund unhaltbarer Zustände, gegen die das Rote Kreuz mehrfach intervenierte, wurden die Insas- sen nun in die Schuppen verlegt. Später kamen auch sowjetische Zwangsarbeiter hinzu. Die Liste weist für den Ort 983 Gefangene aus. Beide Schuppen gehörten zu einem Ensemble von 21 Schuppen, die in den Jahren 1912/13 und dann in den 20er Jahren im Bereich Revaler Straße, Memeler Straße und am Fabrikufer erbaut und von der damaligen Spedition P. H. Ulrichs betrieben wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Internierungslager in Vergessenheit und wurde wieder als Schuppen genutzt. Im Jahr 1989 wurden dort nach Hinweisen eines ehemaligen sowjetischen Zwangsarbeiters Wandmalereien französischer Kriegsgefangener entdeckt, die vermutlich 1942/43 entstanden sind. Verschiedene Malstile weisen auf die Beteiligung mehrere Gefangene hin. Die 13 Wandgemälde wurden geborgen und sind nun in verschiedenen Einrichtungen, darunter dem Bremer Staatsarchiv, dem Landesamt für Denkmalschutz und dem Hafenmuseum im Speicher XI, ausgestellt.

2018 erwarb die Hafenbetriebsgesellschaft J. Müller AG, Brake, die Schuppen, deren Abriss im Februar 2019 erfolgte. Heute sind dort Container gelagert. Mit den Ulrichsschuppen verschwand einer der letzten Orte, der an Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs in Bremen erinnert. Im Zuge des Abrisses stellte die Firma das Eckgrundstück Memeler/Revaler Straße an originaler Stelle für einen Erinnerungsort zur Verfügung.

Auf dieser Fläche entstand das Kunstwerk der Rolandpreisträgerin 2018 Michaela Melián. Die Künstlerin hat die Fassade des Schuppens auf dem Grundstück wiederhergestellt, allerdings nicht vertikal, sondern horizontal gekippt. Die Fassade markiert den verschwundenen Ort und erinnert gleichzeitig an die vielen Kriegsgefangenen und Verschleppten aus ganz Europa, die in den bremischen Häfen Zwangsarbeit leisten mussten. Um den Gedenkort herum ragen die Containertürme in den Himmel und bilden zur flach auf dem Boden liegenden Fassade einen sinnfälligen Kontrast.

Parallel entstand eine Serie von Nähmaschinenzeichnungen, die sich auf die ehemaligen Zwangsarbeiterschuppen bezieht. Die Künstlerin rekonstruiert hier in leichten, klaren Fadenlinien die Umrisse der inzwischen abgerissenen Bauten. Melián bediente sich dieser Technik bereits in früheren Arbeiten. So etwa in Triangel (2003), in der sie eine Fahrt durch die Lüneburger Heide mit ihren Feldern, Straßen und Gebäuden, darunter auch die Gedenkstätte Bergen-Belsen zeigt.

Filmlink Beatrix Schwehm: Gedenkort Lager Ulrichsschuppen 

Medienlinks:
Benjamin Moldenhauer im Deutschlandfunk: Wie klingt deutsche Vergangenheit?
Thorsten Jantschek im Deutschlandfunk: Gedenken an den Holocaust. Wie Michaela Melián Gedenkorte schafft
Mira Anneli Nass in der jungle world: Die Stadt als Träger 
Lotta Drügemöller in der taz: Einer von über 200 Orten 
Benno Schirrmeister im Gespräch mit Michaela Melián in der taz: "Erinnern kann man nicht einfordern".
Rolf Stein in der Kreiszeitung: Gedenkort soll an Internierung und Zwangsarbeit erinnern
Marianne Straub bei buten un binnen: Bremen hat jetzt einen neuen Gedenkort - und zwar im Hafen in Walle 
Anne Gerlin im Weser-Kurier: Mahnmal beim Holzhafen soll an Zwangsarbeit erinnern

Die Serie Studio rekurriert auf das historische Siemens-Studio für elektronische Musik, das mit seiner Eröffnung in München im Jahr 1956 zu den wichtigsten Tonstudios in Deutschland zählte.
Aufgrund seiner einzigartigen Geräte – Unikate, die aus kriegstech- nologischer Ausrüstung entwickelt wurden – gilt es als Design- und mediengeschichtlich relevanter Ort der Entwicklung elektronischer Musik als Frühform digitaler Kultur.

1966 wurde das Studio der Filmabteilung unter Alexander Kluge und Edgar Reitz an der Hochschule für Gestaltung in Ulm übergeben und diente wegen seiner futuristisch anmutenden Ausstattung als Kulisse für Kluges Science-Fiction-Filme. 1968 wurde die Studiotechnik ein- gelagert und erst 1992 von Josef Anton Riedel wiederentdeckt. Seit 1993 ist das Tonstudio im Deutschen Museum in München betriebs- bereit aufgebaut.

In den Papierarbeiten der Serie setzt Melián die historischen, elektro- akustischen Geräte des Tonstudios ins Bild. Wie digitale Landschaften wirken die fotografisch erfassten Detailaufnahmen von Mischpulten, Synthesizern und aufnahmetechnischem Gerät.

Durch die Technik des Übernähens mit Fäden und das Durchstoßen des Papiers mittels Nähmaschine erzeugt Melián eine Art Lochkarte in maschineller écriture automatique, die die Studiolandschaften in flirrend-flimmernde Vibration versetzt. Die Fäden legen sich wie ein Schleier über das Bild der Studiolandschaft und verweben Topografie, musikalische Spur, Erinnerung und verschiedene Zeitschichten mit- einander.

Jochen Bonz
Die Funktion des Schleiers. Zur Konstitution eines Bedeutungs- zusammenhangs in einem Kunstwerk Michaela Meliáns

Erschienen in: RISS: Zeitschrift für Psychoanalyse: Freud–Lacan, Heft 52, Wien: Turia + Kant, 2001

Besteht die Möglichkeit, eine Aussage zu machen und zugleich deren Bedingtheit mit anzusprechen? Lässt sich Kontingenz aus- sprechen? Zwar nicht das Gesagte infrage stellen, aber doch da- rauf hinweisen, dass es auf einer notwendigen Setzung beruht: in einem Rahmen spielt? Oder, wie kann in einer Situation, die durch- drungen ist von dem Gefühl, die Welt sei lediglich eine Konstruktion, Bedeutung überhaupt entstehen? Fragen, wie sie vielleicht wenig explizit gestellt werden, aber dennoch die gegenwärtige Kunstproduktion durchziehen. Überall stößt man auf Versuche, Diskurse zu hinterfragen und zugleich Signifikanz herzustellen. So auch bei der Künstlerin Michaela Melián. Ihre im Frühsommer 2001 im Rahmen der Ausstellung zum Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen in der dortigen Kunsthalle gezeigte Installation Life as a Woman führt den Phallus vor: zeigt den das Feld ordnenden, eine Perspektive errichtenden, Bedeutung schaffenden Signifikanten – und nutzt dessen Wirksamkeit.

Ein Raum in einer Kunstausstellung: In der Mitte steht ein ca. drei Meter langes, mit hellbeigem Seidentaft bekleidetes Holzgerüst, das man wegen seiner länglichen Form und der charakteristischen Wölbung oben in der Mitte sofort als U-Boot erkennt. Dahinter läuft an der Wand blau auf weiß und auf Brusthöhe ein Streifen entlang, wie eine Bordüre, bei dem es sich um zwei abwechselnd nebeneinander gestempelte Bilder handelt. Sie zeigen den Oberkörper einer Frau beim Auftauchen aus Wasser und dieselbe Frau in anderer Pose. Der Kontrastreichtum der auf weiß und blau reduzierten Bilder sowie Bekleidungsstil und Gestus der Frau und die Tatsache, dass die beiden Fotos abwechselnd immer wiederkehrend an drei Seiten rund um den Raum an der Wand entlang- laufen, lassen an Film denken.

An die 1920er Jahre und Stummfilm. Der »Film« mündet in das dritte Element der Installation: Eine ebenfalls aus leichtem Stoff bestehende Kabine mit einem Grundriss von vielleicht einen Meter fünfzig auf zwei Meter und vom Boden bis ca. drei Meter hoch reichend. Auf den wieder hellbeigen Stoff wird von Innen die Pro- jektion eines Frauenkopfs geworfen. Er lässt sich leicht als Kopf des Filmes erkennen. Beide, Film und Kopfprojektion, treffen sich auf einer Höhe. Der Kopf wandert über den Stoff der Kabine und erscheint an manchen Stellen voller als an anderen: dann besitzt er Farbigkeit und scheint in seiner ansonsten flüchtigen Bewegung einen Augenblick stillzustehen. Die Kabine ist zu betreten, in ihr findet sich ein Diaprojektor als Quelle der Projektion; er wirft das Bild durch ein sich drehendes Prisma. Von Innen ist die Wirkung der Projektion noch stärker. Die Installation hat den Titel Life as a Woman und ist von Michaela Melián. Das vierte oder neben dem Titel fünfte Element der Installation ist der folgende Text. Er fin- det sich auf einem, im Stil von Werkinterpretationen, wie es sie in manchen Museen gibt, gehaltenen, auf dem Boden liegenden Blätterstapel.

LIFE AS A WOMAN
Hedy Lamarr, bürgerlich Hedwig Kiesler, wird am 9. November 1914 in Wien geboren. 1933 simuliert sie für den Spielfilm Eksta- se den ersten Orgasmus der Kinogeschichte und badet in einer weiteren Szene unbekleidet in einem Waldsee. 1933–1937 Ehe mit dem österreichischen Munitionsfabrikanten Fritz Mandl. Ausreise in die USA.
Von MGM’s Louis B. Mayer wird Hedy Lamarr als die schönste Frau der Welt gepriesen. Bereits in ihrem ersten Hollywood-Film etabliert sie einen neuen Frauentyp im US- amerikanischen Kino: die exotische Dunkelhaarige, die enigmatische Fremde. In der Salz- burger Villa ihres Ex-Gatten hatte die Emigrantin Einblick in die Planungen zu ferngesteuerten Torpedos gehabt, die nicht realisiert wurden, weil sich die Steuerung über Funk als zu störanfällig erwies. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs arbeitet sie an praktischen Ideen zur wirksamen Bekämpfung des Hitler-Regimes. Auf einer Party in Hollywood trifft Hedy Lamarr den Avantgarde- und Filmmusik- Komponisten George Antheil. Die entscheidende Idee zur Umsetzung ihres Torpedolenksystems kommt der Schau- spielerin beim gemeinsamen Klavierspiel mit dem Komponisten. Antheil legt das System auf 88 Frequenzen an, was der Anzahl der Tasten auf dem Klavier entspricht, und er greift bei der Konstruktion auf Lochstreifen zurück, wie er sie bei seinem Ballet Mécanique für das automatische Klavier verwendet hat.

Im Dezember 1940 wird die von Lamarr und Antheil entwickelte Frequenzsprungvorrichtung dem National Inventors Council zugesandt. Das Patent wird am 11. August 1942 gewährt. Seine Nutzung überlassen die beiden Erfinder dem US-amerikanischen Militär. Tatsächlich verschwindet das Secret Communication System von Lamarr und Antheil in den Schubladen der U.S. Army. Erst 1962, während der Kuba-Krise, kommt es zu einem ersten Einsatz ihrer Technik, die nunmehr als Frequency Hopping bezeichnet wird. Dieses dient dabei allerdings nicht zur Fernsteuerung von Torpedos, sondern zur abhörsicheren Kommunikation zwischen den an der Seeblockade beteiligten Schiffen. Woraufhin die Prinzipien des Patents zu einer absoluten Grundlage in der Kommunikations- technologie der US-amerikanischen Militärs werden. Heute bildet diese Technik nicht nur den Ausgangspunkt für das militärische Satellitenabwehrsystem der USA, sondern findet auch im zivilen Bereich, vor allem bei Schnurlos- und Mobiltelefonen, großflächig Verwendung.

Ein Eindruck von Hedy Lamarrs Leben ist etwas, das sich mittels der Installation herstellen lässt. Aber zu diesem Zweck hätte es auch gereicht, lediglich diesen kurzen biografischen Text auszustellen. Der Raum der Installation, dieses durch die im wesentlichen drei Elemente (U- Boot, Film, Projektion) entstehende Feld, 

scheint viel weiter zu sein, wesentlich größer. In ihm lässt sich die Geschichte Lamarrs situieren, aber sein Gehalt an Konnota- tionen geht nicht in dieser auf, sondern bleibt um sie herum und neben ihr bestehen. Der Raum von Life as a Woman verlangt nach mehr: allgemeineren und grundsätzlicheren Fragen. Mein Ansatzpunkt zur näheren Bestimmung des Raumes ist die Phallizität des U-Boots. Mit ihr ist das Paradox verbunden, als Phallus wirksam zu sein und sich zugleich auch als Wirkung des bloßen Scheins offen- zulegen.

Ich stehe in dem Raum, der sich durch die an diesem Ort versam- melten Elemente herstellt, und bin mir darüber im Klaren, dass sich der Raum von dem U-Boot her entwirft: von ihm als dem Si- gnifikanten aus sehe ich wie am Horizont – als seien es zur Ruhe gekommene Wellen – den Strich der Film-Kette der beiden Frau- enbilder. Das U-Boot weist mit seiner Schnauze auf die Projek- tionskabine hin; an dem Punkt, in dem seine Verlängerung auf den Film der Bilder träfe, befindet sie sich. So gesehen ergeben zwei Seiten des »Filmes« zusammen mit dem Boot ein Dreieck, dessen einer Punkt sich am Ort der Projektion des Frauenkopfes befin- det. Aber wie der konnotative Raum, den das Kunstwerk eröffnet, über die Lebensgeschichte hinaus weist (von der es zweifellos auch handelt), verlässt auch der Film, im Rücken des Bootes an einer weiteren Wand entlangführend, das Dreieck. Der Film be- sitzt demnach immer in dem jeweiligen Zusammenhang Bedeu- tung, den das Kunstwerk in der Sicht des Betrachtenden ergibt. Zugleich weist der Film permanent darauf hin, dass das Kunstwerk in der jeweiligen Interpretation nicht aufgeht. Oder: dass zumin- dest die potenzielle Signifikanz der Elemente, aus denen das Werk besteht, sich nicht im jeweils hergestellten Bedeutungszusam- menhang erschöpft ... Das Boot ist als Signifikant wirksam und es hat die Form eines Phallus – und es ist doch auch keiner. Es ist ja bloß ein geradezu zierliches Holzgerüst, in einen Schleier von Taft gehüllt. Welche Bedeutung hat aber Taft, wenn nicht an erster Stelle diese, den Frauenkörper für den Männerblick zu umschmeicheln? Muss die Funktion des U-Boots also vielmehr darin gesehen werden, die Position der Frau im Symbolischen anzuzeigen, die Stelle, an der der Phallus nur als Mangel existiert? Der Phallus verschwindet über den Schleier ge- rade nicht aus der Installation.

Im Seminar über die Objektbeziehung erklärt Lacan die Funktion des Schleiers im Zusammenhang mit dem Fetischismus, also einer besonders intensiven Beziehung des Subjekts zu einem Objekt; einem Objekt, in dem Lacan die Funktion des Schleiers erkennt. Der Schleier verhüllt, würde es herkömmlicherweise heißen. Bei La- can heißt es: der Schleier zeigt. Was sich im Schleier materialisiert ist das, was ein Objekt zu etwas Wertvollem macht. Das Wertvolle des Objektes wohnt diesem nicht inne, sondern befindet sich jenseits von ihm. Das ist das, was man nie mit bekommt, wenn man das Objekt bekommt. Oder zumindest ist es das, was nicht bei einem bleibt. Das Begehrenerzeugende, der reine Signifikant, der Signifizierer, Phallus. Er haftet am Objekt, ist in ihm aber nur als Abwesenheit anwesend. Die Idee, die Lacan nun entwickelt, be- zieht ihre Plausibilität aus der unbestreitbaren Attraktivität des Verschleierten. Er meint, dass sich auf dem »Schleier die Abwe- senheit projiziert und imaginiert«. Im Schleier materialisiert sich, in ihm »idolisiert der Mensch sein Gefühl dieses Nichts, das jen- seits des Lustobjekts liegt. (...) Man kann ... sagen, daß mit der Anwesenheit des Vorhangs sich das, was als Mangel jenseits liegt, als Bild zu realisieren tendiert. Auf dem Schleier zeichnet sich die Abwesenheit ab«. 1 Der Schleier ist demnach das Material, von dem aus der Phallus Effekte zeitigt. Er ist jedoch auch die sichtbare Grenze, an der dessen Macht zerschellt. Das mit Taft bekleidete, ein U-Boot vorstellende Holzgerüst macht offenbar, dass es den Phallus nur insofern gibt, als er Wirkung entfaltet. An sich wohnt der Phallus nichts inne. Aber in der Dimension des Symbolischen, im Rahmen einer symbolischen Ordnung, symbolischen 

Zusammenhängen, besitzt er Macht. Das heißt, es ist ein gewisser Glaube nötig, damit es Bedeutung gibt.
Life as a Woman handelt davon, wie Bedeutung hervorgebracht wird. Wie kommt es zur Bedeutung? Indem eine Beziehung ent- standen ist. Die Dinge haben Bedeutung, wenn man an sie glaubt. Nennen wir die Beziehung ein bißchen hoch gegriffen Liebe. Und wie kommt es zur Liebe? Nach Hesiod kommt im Altertum die Göttin der Liebe, Aphrodite beziehungsweise Venus, zu Stande, um die Welt zu begründen: ihr Auftreten ist gebunden an das Ende einer mehrfach inzestuösen Situation, einem Familienknäuel im schlimmsten Sinn. Die deren Überwindung mit sich bringende Einrichtung der symbolischen Ordnung, die das Begehren entlang von Regeln und Gesetzen hervorbringt, erfolgt durch einen Be- freiungsschlag, der die Liebe als DEN Begehrensstifter selbst her- vorbringt. Gaia lässt einen der Söhne dem Vater, Uranus, den Penis abschneiden. Er wirft das Geschlechtsteil des Vaters ins Meer, woraufhin das passiert: »... ein weißer Schaum quoll rings um das göttliche Glied empor; doch inmitten wuchs eine Jungfrau.« Die schaumgeborene Aphrodite. Fortan fährt sie auf den Wellen und zeigt das In-Liebe-Fallen an; wo sie ist, haben die Dinge Bedeutung, weil man ihnen verbunden ist: weil für das Subjekt der Liebesbeziehung alles mit Sinn erfüllt ist. Wie mit einer Welle führt die Liebe die Bedeutung mit sich.

Diese Konstellation vom Anfang des Bedeutungschaffens findet sich in Meliáns Installation wieder. Die Elemente sind: ein als Phal- lus überführter, kenntlich gemachter Phallus (und was ist Uranus’ abgeschnittenes Glied anderes als dies: das Glied, das nicht ein einfaches Körperteil, sondern den symbolischen Phallus vor- stellt?!), die glatte See, die in der Form der Projektion sozusagen Wellen zu schlagen beginnt an dem Ort, wo das Bild von Hedy Lamarr entsteht, Venus aus dem Wasser auftaucht und damit in Erscheinung und Funktion tritt. Meliáns Arbeit hat Signifikanten wesentlicher Aspekte der Biografie Hedy Lamarrs zum Dreh- und 

Angelpunkt. Von diesem Punkt her, den ich oben als Dreieck beschrieben habe, lässt sich diese eine Lebensgeschichte erzählen. Aber die Signifikanz seiner Elemente reicht weiter. Vom Punkt ihrer wechselseitigen Bezugnahme aus lässt sich die Entstehung des Begehrens selbst vorstellen und sagen. Das habe ich hier versucht. Nicht übersehen darf man, dass über die notwendige Beziehung der drei wesentlichen Signifikanten (U-Boot, Film, Projektion) aufeinander, die möglichen, vom reichen Konnotationsgehalt der Signifikanten angeregten Interpretationen immer vergleichbar bleiben. Diese können selbst zueinander in Beziehung gesetzt werden. So zeigt sich beispielsweise auch in der ganz konkreten Lebensgeschichte Lamarrs die Wirksamkeit des Signifikanten U- Boot, ist doch auch Hedy Lamarr mit ihrer Erfindung als Pionierin und Patentinhaberin neuer Bedeutung und Sichtbarkeit zugeführt worden.

1 Jacques Lacan (1994), Le séminaire, Livre IV: La relation d’objet, Paris: Seuil, 1994, S. 155, zitiert nach der unveröffentlichten Über- setzung von Gerhard Schmitz.

2 Zitiert nach den 1994 beim Aufbau-Verlag, Berlin, in der Über- setzung von Luise und Klaus Hollof erschienen gesammelten Wer- ken.

Der Leopard II ist ein Kampfpanzer aus deutscher Produktion. Er wird seit 1979 in Serie gebaut. In der langen Produktionszeit entstanden diverse optionale Nachrüstmöglichkeiten und Spezifikationen für ausländische Abnehmer. Deshalb gibt es eine Vielzahl von Varianten des Leopard II. Im Winter 1999/2000 sorgte die beabsichtigte Lieferung von 1.000 Leopard II-Panzern an die Türkei für eine rot-grüne Regierungskrise. Der Leopard 2-Panzer war ursprünglich als Rückgrat gepanzerter Streitkräfte und zur Abwehr gegnerischer Panzerverbände vorgesehen. In der Folge des Kosovokrieges kam er erstmals bei KFOR zum Einsatz. Die NATO-Länder Dänemark und Kanada setzten den Leopard II im ISAF-Einsatz in Afghanistan ein.